Ein ganz normaler Dienstag

Heute war einer dieser Tage, an denen alles ruhig beginnt. Kein Wecker, der mich rausreißt. Kein hektisches Klappern aus der Küche. Nur das erste Licht, das durch die Vorhänge kriecht, leise Vögel draußen, und dieses weiche, warme Gefühl unter meiner Decke, das sagt: Du darfst dir Zeit lassen.
Ich lag noch ein paar Minuten da, halb wach, halb im Traum – und dachte an nichts Konkretes. Das ist selten bei mir. Normalerweise ist mein Kopf gleich voll: Was muss ich machen? Hab ich jemandem nicht geantwortet? Was zieh ich an?
Aber heute war da nur Leere. Und Leere war gut.
In der Küche war Sophie schon wach – wie immer vor mir. Sie trug einen schlichten Pullover und ihre Haare waren hochgebunden, unaufgeregt wie ihre Stimme.
„Guten Morgen, Lena.“
Ich liebe, wie sie das sagt. Ohne Kosewort. Ohne Verniedlichung. Nur meinen Namen – aber so, dass er für einen Moment mehr wie eine Position klingt als nur ein Rufzeichen.
Auf meinem Stuhl lag das Outfit für heute:
Meine graue Strickstrumpfhose – dick, weich, fest an den Beinen, ein bisschen gerippt. Und dazu mein Grauer Hoodie, der knapp bis über die Taille reicht. Nichts extra. Nichts Auffälliges. Aber ich wusste sofort: Das passt heute.
Ich hab mich wortlos umgezogen, einfach da in der Küche, wie ich es oft tue. Sophie saß am Tisch, trank ihren Tee und beobachtete mich nur. Kein Kommentar, kein prüfender Blick. Nur diese Präsenz, die sagt: Ich seh dich. Und das reicht.
Jonas war schon am Laptop, als ich den Flur entlanglief. Ich liebe diesen Moment – wenn er nur kurz aufblickt, mich anschaut, als würde er prüfen, ob alles stimmig ist.
„Du wirkst klar heute“, sagte er.
Ich grinste.
„Bin ich auch.“
Ich weiß nicht, was das war – vielleicht die Ruhe, vielleicht das Outfit, vielleicht einfach nur ein hormonell gesegneter Dienstag. Aber ich fühlte mich leicht.
Gegen Mittag hab ich Marie getroffen. Wir sind einfach durch den Park gelaufen, ohne Plan. Sie hatte wie immer ihre große Sonnenbrille auf und redete viel über ihren Kunstkurs, der „irgendwie mehr Ego als Inhalt“ sei – ihre Worte, nicht meine.
Was ich besonders schön fand: Sie hat mein Outfit kein einziges Mal kommentiert. Keine Sprüche, kein „Mutig heute“ – nichts. Es war einfach selbstverständlich. Ich war einfach ich. Und das bedeutet mehr, als ich mir selbst oft zugestehe.
In einem Schaufenster hab ich uns beide gesehen.
Marie – lässig in Jeans und Sneakern.
Ich – in meiner Strickstrumpfhose, Hoodie, mit offener Jacke.
Und ich hab mich gemocht. Nicht auf diese Instagram-Weise. Sondern echt.
Ich sah mich – und ich war okay damit. Vielleicht sogar stolz.
Abends saßen wir wieder zu dritt am Tisch. Jonas hatte gekocht (was meistens bedeutet: irgendwas mit Linsen), Sophie trank Tee, ich war einfach da.
Und irgendwann fragte sie:
„Wie war dein Tag, Lena?“
Ich sagte:
„Still. Aber schön. Ich hab mich gespürt.“
Sie nickte nur.
„Gut. Dann war’s genau richtig.“
Ich weiß, das klingt banal.
Aber für jemanden wie mich – die so oft zweifelt, sich verliert, sich fragt, ob sie richtig ist – ist ein stiller, schöner Tag manchmal das Größte, was passieren kann.
Ein Hoodie, der passt. Eine Strumpfhose, die mich trägt. Ein Blick, der reicht.
Und das Gefühl, dass nichts fehlt.
– Lena